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SISTERS-Aktivistin Sandra Norak spricht in Stade zum Thema Loverboys

Foto: Walter Punke

Auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten Anne Behrends war Sandra Norak in Stade, um am Internationalen Tag gegen die Gewalt an Frauen in der gut gefüllten Seminarturnhalle über ihre Erfahrungen in der Prostitution zu berichten und die kriminelle Energie im System Prostitution zu entlarven. Sandra Norak war als 16jähriges Mädchen Opfer eines Loverboys geworden. Ein etwa 20 Jahre älterer Mann, den sie über das Internet kennengelernt hatte, hatte die Liebe vorgespielt und sie über falsche Versprechungen in die Prostitution gelockt.

Diese Erfahrungen waren prägend für die junge Frau. Was sie dort gesehen und erlebt habe, sei menschenunwürdig. „Die Prostituierten werden behandelt wie eine Ware, die man kaufen kann“, so Sandra Norak. Einmal habe ein Sexkäufer ihr gesagt, er habe gerade überlegt, ob er sich in der Mittagspause einen Döner kaufe oder sie. Das, was unter dem Namen Sexkauf in Bordellen stattfinde, sei nichts anderes als Missbrauch und Gewalt gegen Frauen, die wehrlos sind.

Warum sind Prostituierte wehrlos?

90 Prozent der Prostituierten in Deutschland stammen aus ost- bzw. südosteuropäischen Staaten, die meisten von ihnen sprechen kein Deutsch, sie sind zwar freiwillig nach Deutschland gekommen, aber auch sie wurden mit falschen Versprechungen in die Bordelle gelockt. Als junge Frauen in Rumänien oder Bulgarien glauben sie, in Deutschland z.B. in Gaststätten gutes Geld verdienen zu können, um ihre Familien in der Heimat zu unterstützen. Aber es gebe, so Sandra Norak, viele Beispiele von Prostituierten, die von ihren eigenen Vätern, Brüdern oder anderen Verwandten nach Deutschland verkauft werden. Die nach Deutschland geschleusten Mädchen sind dann sofort von „Ihren“ Zuhältern, denen sie verkauft werden, abhängig. Sie müssen die hohe Summe für die Einschleusung abbezahlen. Da sie kein Geld haben, können sie diese Summe nur abarbeiten, in dem sie so viele Sexkäufer wie möglich bedienen (müssen). Sandra Norak berichtet, dass sie in ihren Zeiten in einem Flatrate-Bordell (Die Sexkäufer zahlen eine Summe und können einen ganzen Tag so viele Frauen haben, wie sie wollen – Flatrate-Angebote sind seit 2017 nicht mehr erlaubt.)
Zu dieser finanziellen Abhängigkeit komme die Sucht nach Alkohol und anderen Drogen, die sie brauchen, um diese Schikanen, Gewalt und menschliche Verachtung überleben zu können. Die Menschenhändler und auch die Zuhälter sind fast ausnahmslos im kriminellen Milieu tätig, Mittel wie Einschüchterung und Androhung von Gewalt tragen dazu bei, dass die Prostituierten sich in der Regel nicht hilfesuchend an die Polizei wenden können. Abgesehen davon, sprechen die Frauen zum großen Teil kein Deutsch, wie sollen sie sich verständlich machen?

Was macht das alles mit den Prostituierten?

Sandra Norak berichtet davon, dass die meisten Prostituierten, die diese Form der Verachtung und Gewalt über Jahre erleben, Schuld und Scham entwickeln. Langjährige Erfahrungen dieser Art von Entwürdigung schaffe ein Bewusstsein davon, dass man keinen Wert habe und in dieser Welt keine andere Arbeit finden werde. Aus der Traumaforschung weiß man, dass es einen ganz natürlichen Schutzinstinkt gebe, solches Leid zu ertragen. Es ist die Dissoziation. Die Frauen spalten den Teil, der ihnen Schmerz und Gewalt verursacht, psychologisch von sich ab, so dass sie ihn nicht mehr wahrnehmen. Das geschieht nicht bewusst, sondern unbewusst. Und so sind die Frauen in der Lage, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Würden Sie ihre Leiden nicht verbergen, wären sie für die Sexkäufer nicht mehr attraktiv und gewiss würden sie von ihrem Zuhälter schnell durch eine andere ersetzt.
Sandra Norak selbst hat es nicht geschafft, in diesem System Prostitution zu funktionieren. Sie ist zusammengebrochen und hat es auf diese Weise geschafft, sich zu befreien. Heute studiert sie Jura, und sie ist sich schon ganz sicher, dass sie später als Anwältin für diese Frauen arbeiten möchte, um die Akteure und Akteurinnen des Systems Prostitution an den Pranger zu stellen.

Norak reist heute durch ganz Deutschland, um auf das Unrecht in der Prostitution aufmerksam zu machen. Ihre Botschaft ist: Solange Frauen im Beruf als Prostituierte arbeiten, ist es ganz normal, dass wir in unserem Alltag umgeben sind von pornographischen Bildern, von Werbung von käuflichem Sex, von Pornografie in allen Medien. „Unsere deutsche liberale Gesetzgebung der Prostitution hat Deutschland zum Bordell Europas gemacht. Es ist hierzulande normal, dass frisch gebackene Schulabgänger zur Feier des Tages in einen Puff gehen, dass Kinder mit dem Bild von käuflichen Frauen groß werde.“ Norak setzt sich gemeinsam mit dem Verein „Sisters“ seit Jahren dafür ein, dass auch in Deutschland das Prostitutionsverbot nach schwedischem Modell eingeführt wird. Damit werden nicht die Prostituierten bestraft, sondern die Sexkäufer. In Schweden macht man seit 20 Jahren hervorragende Erfahrungen mit diesem Gesetz.

Landrat Michael Roesberg hatte in seinem Grußwort bereits auf die zwei Seiten der Medaille Prostitution hingewiesen, die eine Seite, die uns in den Medien von der Glitzerwelt, in der Prostituierte leben, und die andere dunkle Seite, von der in der Regel nichts bekannt wird. Deshalb seien Frauen wie Sandra Norak so wichtig, die die Prostitution aus der Innensicht der Bordelle bekannt mache, nämlich aus der Sicht der vielen Prostituierten, die nicht aussteigen können.

Gisela und Walter Punke hatten der Gleichstellungsbeauftragten in der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung unterstützt. Für die Veranstaltung hatte sich Linn Marie Schütze, Redakteurin bei Pro7, mit einem Kamerateam angemeldet. Pro7 plant einen Beitrag über die Masche der Loverboys in der Sendung „taff“.

Am 26.11.2019 hat Sandra Norak der Stader Gesamtschule einen Besuch abgestattet und einer ganzen Jahrgangsstufe über die Masche der Loverboys und über die Gefahren der Prostitution berichtet.

Hier der Bericht mit freundlicher Genehmigung von Anping Richter, Stader Tageblatt.