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Kritische Perspektive: Die Prostitutions-Lügenlobby

Alice Schwarzer und tausende andere Frauen und Männer haben Recht: der Beschluss von Amnesty International, ab sofort aktiv die „Entkriminalisierung“ der „Sexarbeit“ zu fordern, ist blanker Zynismus angesichts der Realität der Prostitution in Deutschland und anderswo. Er zeugt nicht nur von krasser Ignoranz, sondern von einem offenbar ideologischen Bedürfnis nach der Verklärung der Prostitution. So ist es auch kaum verwunderlich, dass sich inzwischen die Bordellbetreiber- und Zuhälterlobby brüstet, die Resolution auf den Weg gebracht zu haben.

 

Ein von Verlogenheit triefendes Rechtfertigungsschreiben

Der 12. August 2015 war ein „historischer Tag“, wie der Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty stolz erklärte. Denn an diesem Tag hatte Amnesty International beschlossen, sich für die „umfassende Entkriminalisierung aller Aspekte einvernehmlicher sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen gegen Entgelt“ einzusetzen (O-Ton Amnesty International). Schon die Ankündigung hatte einen internationalen Proteststurm ausgelöst, in einem offenen Brief der „Coalition against Trafficking of Women“ verwiesen mehrere hundert Prominente, Ex-Prostituierte und Feministinnen auf die nachgewiesenen Zusammenhänge zwischen Prostitution und Menschenhandel, auf die Unvereinbarkeit des Verkaufs des eigenen Körpers mit der Menschenwürde; auf die hinter der Prostitution stehenden geschlechtlichen und rassistsischen Machtgefälle; und auf die körperlichen und psychischen Schäden, die die Frauen von der Prostitution davontragen. Vergebens – die Resolution wurde durchgewunken.

Auf der Homepage von Amnesty International Deutschland kann man nun eine Art Rechtfertigungsschreiben für diese Entscheidung lesen, welches an Doppelzüngigkeit, akademisch geschulter Spitzfindigkeit und ideologischer Realitätsverleugnung kaum zu überbieten ist. Offenbar in Anbetracht des – ja in der Tat vielfach belegten – Vorwurfs, dass die geforderte „Entkriminalisierung“ den Handel mit Frauen fördern würde, geben die Amnesty International-SchreiberInnen folgende Überlegung zum Besten:

„Durch eine Entkriminalisierung erhalten Sexarbeiter_innen mehr Kontrolle: Sie sind unabhängiger, können sich eigenständig in informellen Zusammenschlüssen organisieren und ihre eigene Arbeitsumgebung auf eine Weise kontrollieren, wie es eine Legalisierung [also eine staatliche Regulierung und Kontrolle, dazu gleich mehr] oftmals nicht ermöglicht.“

Und an anderer Stelle gar: „Es gibt keinerlei Beweise [!], die darauf hindeuten, dass eine Entkriminalisierung zu mehr Menschenhandel führt. Wir sind der Ansicht [!!!], dass eine Entkriminalisierung den Menschenhandel schwächen würde. Wenn Sexarbeit entkriminalisiert wird, können Sexarbeiter_innen besser zusammenarbeiten und ihre Rechte einfordern. In der Folge würden sich die Arbeitsbedingungen und -standards verbessern und es entstünde mehr Kontrolle im Bereich der Sexarbeit und dem damit verbundenen potenziellen Menschenhandel.“

Diese Sätze müssen wie blanker Hohn wirken angesichts der Realität der „entkriminalisierten“ Prostitution, wie sie seit Jahren in Deutschland oder den Niederlanden stattfindet. Mehr Kontrolle, mehr Unabhängigkeit, mehr informelle Zusammenschlüsse, bessere Arbeitsumgebungen? Keinerlei Beweise, dass Entkriminalisierung zu mehr Menschenhandel führt? – Das gerade Gegenteil ist der Fall. Allein der oben angeführte offene Brief, den die Amnesty-SchreiberInnen ja wohl kannten, bringt dutzende offizielle Belege – von staatlichen Stellen, von JournalistInnen, von SoziologInnen – die den Zusammenhang zwischen „Entkriminalisierung“ und einem Anstieg von Frauenhandel und Zwangsprostitution nachweisen.

Dabei geht Amnesty International aber noch weiter. Abzulehnen sei nicht nur die „Kriminalisierung“, sondern – man höre und staune – auch dieLegalisierung der „Sexarbeit“. Denn, so die bestechende, durch keinerlei Fakten störbare Logik dieser Leute:

„Eine Legalisierung von Sexarbeit würde bedeuten, dass der Staat spezifische Gesetze und Richtlinien zur Regelung von Sexarbeit erlässt. Dies könnte zu einem Zweiklassensystem führen, in dem viele Sexarbeiter_innen die Richtlinien nicht erfüllen und somit weiter kriminalisiert werden – was vor allem die Sexarbeiter_innen betreffen würde, die auf der Straße arbeiten und am schutzbedürftigsten sind.“

Hier mussten die universitär geschulten Amnesty-TexteschreiberInnen sicher eine Weile nachdenken, und dürften umso stolzer auf ihre clevere Argumentation nun sein. Denn die Legalisierung, die (demnächst hoffentlich auch in Deutschland) solche Zumutungen wie Kondompflicht, verpflichtende Arztbesuche und Anmeldung am Aufenthaltsort (als Schutz gegen die beständige „Verfrachtung“ von Prostituierten durch die Zuhälterbanden) mit sich bringt, schließt ja – alle die Frauen aus, die weiter bereit sind oder gezwungen werden, Sex ohne Kondom anzubieten, usw.!

Nach derselben bestechenden Logik schlösse jedes Gesetz, das die Anmeldung gewerblicher Tätigkeit, die Aufsetzung von Arbeitsverträgen, die Einhaltung von Arbeitsschutz und Pausenzeiten regelt – nun ja, es schlösse all die ArbeiterInnen aus, die auch ohne diese Vorschriften arbeiten. Also weg mit dem ganzen Plunder?! – Genau wie bei jedem anderen Beruf bei Missachtung von Gesundheitsvorschriften der Arbeitgeber mit Strafen belegt wird, wäre doch die logische Konsequenz, bei Nichtbeachtung entsprechende Strafen für Freier und Bordellbetreiber zu fordern. Stattdessen aber gefällt sich Amnesty in der wohlfeilen Anklage eines herbeiphantastierten „Zweiklassensystems“, zu dem die Legalisierung führen „könnte“ (Belege braucht’s offensichtlich erneut nicht).

„Entkriminalisierung“ als ideologsicher Kampfbegriff

Doch auch das ist noch nicht der Tiefpunkt dieser akademischen Eloge. Offenbar gefällt man sich bei Amnesty, sich mit dem Kampf für die „Entkriminalisierung“ zu schmücken aber diese Wortwahl ist bereits tendenziös, auf die Verdrehung der Realität ausgerichtet. In keinem der westeuropäischen Staaten besteht aktuell eine Strafverfolgung für Prostituierte, gegen die eine „Entkriminalisierung“ gefordert werden müsste. Was tatsächlich aber in allen diesen Staaten gefordert und debattiert wird, ist das genaue Gegenteil, nämlich das „Schwedische Modell“, das die Bestrafung nicht der Prostituierten, sondern – ja, Amnesty, jetzt bitte genau zuhören! – der Freier und Zuhälter vorsieht, und welches angesichts seiner Erfolge bei der Bekämpfung von Menschenhandel, Zwangsprostitution und Gewalt gegen Frauen, um die es Amnesty bei der Sache ja angeblich geht, weltweit als Vorbild gilt.

In der Märchenerzählung vom Kampf gegen die „Kriminalisierung“ der Prostitution stört diese Option und muss, egal auf welchem Weg, argumentativ beiseite geschafft werden. Welche „Argumente“, welche „Ansichten“ und „plausiblen“ Erklärungsmuster lassen sich hier ins Feld führen? –

„Auch wenn Sexarbeit gemäß dem “Nordischen Modell” nicht direkt [!] kriminalisiert wird, stellt das Modell praktische Aspekte [!] – wie die Inanspruchnahme von sexuellen Handlungen gegen Entgelt und die Vermietung von Räumlichkeiten für Sexarbeit – dennoch unter Strafe. Dies kompromittiert die Sicherheit von Sexarbeiter_innen und führt zu Menschenrechtsverletzungen. […] Sexarbeiter_innen, mit denen wir gesprochen haben, erzählten uns wiederholt, dass sie immer wieder aus Angst vor der Polizei darum gebeten [!] würden, zu den Kund_innen nach Hause zu kommen, anstatt an einen Ort zu gehen, an dem sich die Sexarbeiter_innen sicherer fühlen.“ (Ebenda)

Es sind wohlgemerkt die Freier, die nun Angst haben, und die Frauen nun zu sich nach Hause „bitten“, wo sich die Prostituierten dann unsicher fühlen. Dabei ist dem Freier klar, dass er hier eine strafbare Handlung begeht. Im Zweifelsfall kennt wenigstens die Prostituierte seinen Wohnort, er muss aus der Anonymität heraustreten, und schon dadurch wird das ganze Verhältnis verändert. Man vergleiche dies nur einmal mit der Situation in einer der vielen „Modelwohnungen“ in deutschen Städten, wo die Frauen oft tagelang eingeschlossen sind und zu jeder Uhrzeit die Tür aufgehen kann. Der nächste Freier muss befriedigt werden, oder vielleicht ist es auch der Zuhälter, der sie misshandelt oder vergewaltigt. Keiner von beiden muss hier “Angst” vor der Polizei haben, keiner muss die Frauen zu sich “bitten” – alles Belege dafür, dass sich die Frauen hier offenbar sicherer fühlen, wenn man der Logik von Amnesty folgt?

Spätestens hier offenbart sich, dass es Amnesty International überhaupt nicht um eine ernsthafte Diskussion über die tatsächlichen Grenzen, die auch das Schwedische Modell bei der Bekämpfung der Zwangsprostitution bietet, oder um eine ernsthafte Diskussion über Maßnahmen zur Verbesserung der Situation dieser Frauen geht, sondern schlussendlich um die Rechtfertigung eines vorgefassten Programms, für welche jede Lüge und Verdrehung recht ist.

Zweimal nachgedacht: warum Zuhälter und Bordellbetreiber zum Schutz von Prostituierten notwendig sind

Aber wir sind immer noch nicht am Ende der Widerlichkeit dieses geradezu scholastischen „Rechtfertigungsschreibens“. Denn Amnesty International möchte nicht nur die Prostituierten „entkriminalisieren“, sondern auch – wir werden hellhörig – „alle Aspekte“, die mit der Prostitution zusammenhängen. Im Klartext: das Betreiben von Bordellen, die Anwerbung und die Unterbringung von Prostituierten, schlussendlich ihre beliebige Verschickung zwischen Bordellen, Modelwohnungen und Straßenstrichen. Welche Rechtfertigung lässt sich hierfür finden? –

„Es gibt jedoch zu weit gefasste Gesetze, wie beispielsweise solche, die das “Betreiben” oder die “Bewerbung” von Bordellen verbieten. Diese werden oftmals eingesetzt, um Sexarbeiter_innen strafrechtlich zu verfolgen und Maßnahmen zu kriminalisieren, die Sexarbeiter_innen zu ihrem eigenen Schutz ergreifen. So arbeiten in vielen Ländern aus Sicherheitsgründen häufig zwei Sexarbeiter_innen zusammen. Diese Zusammenarbeit wird dann jedoch als “Betreiben eines Bordells” betrachtet.“

Etablissements wie die in ganz Deutschland aus dem Boden sprießenden Flatrate-Bordelle, wo junge Rumäninnen, Bulgarinnen, Ukrainerinnen etc. ein halbes Dutzend und mehr Männer am Tag bedienen müssen, entstanden bekanntlich zum gegenseitigen „Schutz“ der Prostituierten! Es ist immer dasselbe schmierige und vor Verlogenheit triefende Argumentationsmuster der ProstitutionsfreundInnen: zur Diskreditierung aller Versuche, die Prostitution und die damit einhergehenden Gewaltverhältnisse zu bekämpfen, zur Polemik gegen staatliche Regulierung, gegen schwedisches Modell, und noch gegen das Verbot von Zuhälterei, wird ein ganz oberflächlich betrachteter, rein suggestiver Spezialfall heranzitiert oder haarsträubend konstruiert, wobei sich bei näherer Betrachtung die Haltlosigkeit zeigt. Daraus, dass sich die Prostutierten bei den Freiern zu Hause oder im Hotel „unsicher“ fühlten, zieht man den Schluss, dass Modelwohnungen und Bordelle, in denen die Frauen oft eingesperrt, unter Angst und ständiger Gewaltdrohung leben, „entkriminalisiert“ gehören. Daraus, dass ein paar Frauen in irgendeinem Land auf der Welt sich angeblich eine Wohnung teilen, in der sie Freier empfangen, um sicherer zu sein, wird der Schluss gezogen, dass Bordellbetreiber und Zuhälter – die Hauptquellen der Gewalt gegen diese Frauen! – „entkriminalisiert“ gehören.

„Sexarbeit“ und Prostitution, Menschenrechtsmärchen und reale Gewalt

Es reicht. Wer sich ein Bild darüber machen möchte, wie Prostitution in Deutschland und Europa, fernab jeder „Kriminalisierung“ tatsächlich aussieht und funktioniert, die/der sei auf das exzellente, von Alice Schwarzer herausgegebene Buch „Prostitution. Ein deutscher Skandal“ verwiesen. Im Gegensatz zu großspurigen und schlussendlich falschen Behauptungen von Amnesty und anderen, die Interessen der „SexarbeiterInnen“ zu vertreten, haben sich die AutorInnen tatsächlich die Mühe gemacht und mit Prostituierten gesprochen – mit den Roma auf dem Straßenstrich in der Tschechischen Republik, mit den Rumänierinnen in den Straßentreffs im Schatten der Flatrate-Bordelle, mit den AussteigerInnen, die sich einst freiwillig prostituierten, und mit den Überlebenden, die der Zwangsprostitution in Deutschland entkamen. Man kann die Berichte dieser Frauen nicht lesen, ohne immer wieder innezuhalten und durchzuatmen, um die Geschichten der Gewalt, der körperlichen und psychischen Zerstörung, die diese Frauen über sich ergehen lassen mussten, aushalten zu können.

All das kommt aber in der Geschichte der „Sexarbeiter_innen“ und Kampfes gegen ihre „Kriminalisierung“ nicht vor und darf darin nicht vorkommen. Schon die brav „gegenderte“ „_innen“-Schreibweise ist hier Lüge, denn es sind immer und immer wieder Frauen und Mädchen, die sich Männern als Prostituierte anbieten oder anbieten müssen; selbst dort wo sich Jungen oder junge Männer verkaufen, sind die Käufer Männer – ein müdes Faktum, das hier auf höchst willkommene Weise unsichtbar gemacht wird.

Hieran aber hängt die ganze Geschichte, und hieran allein lässt sich der Begriff der Sache, der Prostitution, entwickeln: denn dass es Männer sind, die Frauen kaufen – und dass es Männer sind, die als Zuhälter Frauenverkaufen –, hieran zeigt sich schon, dass Prostitution immer ein patriarchales Machtverhältnis darstellt. Und meist nicht nur das, sondern auch ein rassistisches, denn von den geschätzten 450.000 Prostituierten in Deutschland wird von verschiedensten Stellen angenommen, dass zwischen 70 und 90% aus dem Ausland kommen, meist aus Osteuropa, Rumänien und Bulgarien. Die Macht und Gewalt von Männern über Frauen ist es ein ums andere Mal, die Frauen zum Einstieg in die Prostitution zwingt. Selbst dort, wo Frauen nicht durch direkte Gewalt und Drohungen in die Prostitution gezwungen werden, kehrt in allen Berichten von Prostituierten und Aussteigerinnen immer dasselbe Muster wieder, dass ein Großteil der Frauen, die sich freiwillig prostituieren, in der Kindheit Vergewaltigung und Misshandlung erlebt hat, und dadurch die grundsätzliche Entfremdung und Dissoziation von ihrem eigenen Körper, von ihren eigenen Gefühlen entwickelte, die eine der Grundbedingungen der Prostitution ist. In Interviews mit Frauen, die den Ausstieg aus der Prostitution geschafft haben, erzählen sie von scheinbar immer denselben Erfahrungen und Leiden: wie sie sich selbst hassten; wie sie einen Ekel vor ihrem eigenen Körper entwickelten; wie sie sich in Traumwelten flüchteten, um ihren eigenen Erlebnissen zu entfliehen; und wie sie schlussendlich sich immer wieder durch äußere Gründe – durch Schulden, durch Gewaltandrohung gegen sie, gegen ihre Kinder und gegen ihre Familie – gezwungen sahen, weiterzumachen.

Sexarbeit ist Menschenrecht. Gezeichnet: eure Bordellbetreiber

Diese ganze, zum Himmel stinkende Resolution der „Menschenrechtsfreund_innen“ von Amnesty International ist selbst erklärungsbedürftig. War es Unwissenheit? Offensichtlich nicht, dafür ist die “Rechtfertigung” zu schamlos. Die angeblich zwei Jahre dauernde Studie, die Amnesty International zur Vorbereitung der Resolution durchführen ließ, hätte das seit Jahrzehnten bekannte Material zutage fördern müssen. Tatsächlich aber gibt es eine Geschichte hinter der Geschichte, welche von der Emma (online) im Rückgriff auf die Recherche von Julie Bindel im „Guardian“ berichtet wird. Demnach brüstete sich ein gewisser Douglas Fox unmittelbar nach Bekanntwerden der Amnesty-Resolution mit der Behauptung, die Resolution selbst mit auf den Weg gebracht zu haben. Fox ist selbst jahrelanger Pro-Prostitutions-Lobbyist, sein Lebensgefährte Betreiber eines Escort-Services:

„Zum ersten Mal trat Douglas Fox im Zusammenhang mit Amnesty im Jahr 2008 in Erscheinung. Dem Online-Magazin News Letterbestätigte der Lobbyist, dass er „seine Unterstützer aufgefordert hat, Amnesty beizutreten und die Gruppe von innen heraus zu bearbeiten“. Die „Violence Against Women Campaign Group“ sei die „Schlüsselposition“, von der aus man die Legalisierungs-Politik durchsetzen könne. „Amnesty auf unsere Seite zu kriegen, wird unserem Ziel einen riesigen Schub geben. Wir müssen sie gnadenlos bearbeiten und auf unsere Seite kriegen.“

Douglas Fox hatte bereits 2014 einen Vorschlag für eine Resolution eingebracht, die neben dem „einvernehmlichen Sex“, um den es bei der Prostitution bekanntlich geht, auch den Sexkauf (!) als Menschenrecht deklarierte – und den Amnesty nach weltweiten Protesten zwar schlussendlich ablehnte, aber zum Anlass für die internationale „Anhörung“ von Betroffenen nahm, die die aktuelle Resolution vorbereiten sollte. Emma online zitiert Julie Bindel weiter:

„Diese Anhörung wurde von einer Akademikerin geleitet, die eine bekannte Anhängerin der Entkriminalisierung war. So wurde keine einzige Survivor-Initiative (ausgestiegene Prostituierte, die für die Abschaffung der Prostitution kämpfen, Anm. der Red.) angehört oder irgendeine andere abolitionistische Organisation, die der Sexindustrie kritisch gegenübersteht“.

Damit schließt sich der Kreis. – Aber nur zur Hälfte. Denn dass Bordellbetreiber, Zuhälter und Freier ein hohes Interesse an der „Entkriminalisierung“ von Prostitution haben, ist eine Sache. Dass es ihnen jedoch gelingt, die Mehrheit der MenschenrechtsfreundInnen, allgemein die Mehrheit der Linken für sich zu gewinnen, ist eine andere. Es ist sehr bemerkenswert, dass die Berichterstattung aller linken Zeitungen, des gesamten Spektrums – von der antideutsch-postmodernen „Jungle World“, über die noch von der DDR träumende „junge Welt“, vom „queerfeministischen“ „Missy Magazin“, dem möchtegern-reflektierten „Freitag“ und der arriviert-grünen „taz“ bis hin zur „Zeit“-Springerpresse –, dass alle diese sonst ach-so zerstrittenen, schlussendlich aber doch in verschiedenen Graden links-sozialdemokratischen Zeitungen in Sachen Prostitution seit Jahren eigenartigerweise nicht nur einer Meinung sind, sondern auch scheinbar die immerselben Argumente sich herumreichen. Wir werden diese Argumente und ihre Hintergründe in einer der nächsten Ausgaben näher beleuchten. Denn die „Sexarbeiterinnen“, um die es hier geht, haben wenig mit den realen Prostituierten zu tun, aber viel mit den projektiven Phantasien und schlussendlich Lebenslügen dieser Linken.

Literatur
Alice Schwarzer, Hg.: Prostitution. Ein deutscher Skandal. Wie konnten wir zum Paradies der Frauenhändler werden? (2013)

Die SISTERS danken der „Kritischen Perspektive“ für die Erlaubnis, den Artikel hier online stellen zu dürfen.