Unserem Verein wird vorgeworfen „strukturell antisemitisch“ zu argumentieren. Dies können und wollen wir so nicht stehen lassen.
Wir brauchen Ihre Unterstützung: Gofundme
Hier die ganze Geschichte:
Wer wir sind
SISTERS e.V. ist ein rein ehrenamtlich arbeitender Verein, der seit 2015 Frauen hilft, aus der Prostitution auszusteigen. Mit aktuell rund 670 Mitgliedern und in 13 deutschen Städten aktiven Ortsgruppen klären wir bundesweit über das System Prostitution auf und helfen Frauen aus der Prostitution auszusteigen. Dazu betreiben wir seit 2018 eine Ausstiegswohnung in Stuttgart, aber auch in anderen Gegenden können Frauen sofort, wenn sie sich an uns wenden, aus der Prostitution aussteigen. Wir helfen ihnen beim Lebensunterhalt und unterstützen den Einstieg in ein Leben jenseits der Prostitution. Diese Ausstiegshilfe ist wertvoll, aber nur ein kleines Pflaster auf der großen Wunde der vielen ausgebeuteten Frauen. Daher machen wir uns für eine Gesetzesänderung stark, die die Nachfrage und Ausbeutung eindämmt: wir unterstützen die Forderung nach dem Nordischen Modell in Deutschland.
Wie reagiert die Prostitutionsindustrie auf unsere Arbeit?
Die Prostitution ist ein lukratives Geschäft, mit der in Deutschland jährlich ca. 14 Mrd. Euro umgesetzt werden. Man kann sich daher leicht vorstellen, dass wir uns mit unserer Arbeit nicht nur Freunde machen. Wir sind es gewohnt, durch verschiedenste Vorwürfe diffamiert zu werden. Rassismus, „Sexarbeitsfeindlichkeit,“ Transfeindlichkeit sind die üblichen Begriffe, mit denen versucht wird, uns zu diskreditieren. Aber wer unsere Arbeit kennt, weiß, dass wir vornehmlich migrantischen Frauen helfen, die massiv an ihrer Tätigkeit in der Prostitution leiden und dass wir verstanden haben, dass Frauen auf Basis des biologischen Geschlechts ausgebeutet werden, aber auch Transfrauen helfen, wenn sie sich an uns wenden.
Warum setzen wir uns jetzt gegen Vorwürfe zur Wehr?
Bisher haben wir das immer hingenommen. Doch im Mai 2023 überspannte eine Aktivistin den Bogen. Ruby Rebelde, Vorstandsmitglied von Hydra (eine Berliner Beratungsstelle, deren Ziel es ist, dass „Sexarbeit als eine Erwerbsarbeit wie jede andere anerkannt wird“ und deshalb folgerichtig auch „Einstiegsberatung“ anbietet), hielt bei der Diakonie Deutschland im Kontext des Fachtags der „Initiative Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen“ einen Vortrag zum Prostituiertenschutzgesetz mit dem Titel „Antifeminismus, Desinformation und Sexarbeit“. Darin erläuterte sie, wie Antifeminismus als „rechte Brückentechnologie gegen die Emanzipation marginalisierter Gruppen“ diene. Sie zeigte mehrere Gruppen auf, aus denen „antifeministische Angriffe“ erfolgen würden. Auf ihrer Präsentationsfolie konnte man dann lesen, welche 4 „Akteur*innen“ sie für ihre Vorwürfe auserkoren hat: Sisters e.V., das Netzwerk Ella, SOLWODI und EMMA. seien: „Radikal-feministisch, trans-exkludierend und strukturell antisemitisch“.
Von Zuhörerinnen und Zuhörern, die später auch als Zeugen vor Gericht ausgesagt haben, haben wir erfahren, welche abstruse Erklärung sie hier nachgeschoben hat: da wir manchmal die Begriffe „Prostitutionslobby“ und „Zuhälterlobby“ verwendet hätten, würden wir eine antisemitische Verschwörungserzählung bedienen. Einige Zuhörerinnen und Zuhörer des Vortrages erinnerten sich, dass Rebelde den Verein selbst als „strukturell antisemitisch“ bezeichnet hatte.
Da nach ihrem Vortrag keine Diskussion zugelassen wurde, blieb dieser Vorwurf der Judenfeindlichkeit einfach so im Raum stehen.
Diese Herleitung und Erklärung sind ungeheuerlich und sie schaden uns massiv, daher war es für uns selbstverständlich, dass wir diese Anschuldigung nicht auf uns sitzen lassen können.
Warum wir zunächst Recht bekamen und dann wieder nicht
Zunächst haben wir uns mit den anderen diffamierten Organisationen zusammengetan und beratschlagt, wie wir weiter vorgehen könnten. Gemeinsam mit EMMA und dem Netzwerk Ella haben wir Ruby Rebelde aufgefordert, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Dies hat sie aber postwendend abgelehnt und sich auf ihren Social Media Kanälen als Opfer dargestellt und uns eine Täter-Opfer-Umkehr vorgeworfen, denn schließlich würden wir sie ihrer Meinungsfreiheit berauben wollen. Wir haben mit uns gerungen, den weiteren Rechtsweg zu beschreiten, denn es war uns bewusst, dass wir ein Risiko hoher Prozesskosten eingehen würden. Unser Herzensthema ist die Ausstiegshilfe, aber mit diesem Vorwurf im Raum ist der Kern unserer Arbeit gefährdet. Daher haben wir dann schweren Herzens eine Klage auf Unterlassung eingereicht.
Im Juli 2023 gab uns das Berliner Landgericht in einem Eilverfahren Recht und entschied, „die Verfügungsbeklagte hat es zu unterlassen, die Behauptung zu verbreiten der Sisters – für den Ausstieg aus der Prostitution e.V. nutze Argumentationen, die „strukturell antisemitisch“ seien und der Sisters – für den Ausstieg aus der Prostitution e.V. zeige Herangehensweisen und Tendenzen auf, die „strukturell antisemitisch“ seien.“
Gegen diese einstweilige Verfügung ging Rebelde in Berufung und bekam Recht. Im Februar 2024 fällte der zuständige Einzelrichter am Berliner Kammergericht ein geradezu skandalöses Urteil.
Nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung ließ der Einzelrichter uns an einem längeren Monolog teilhaben. Er sprach uns direkt an und bezeichnete unser Vorgehen als „SLAPP“ („strategic lawsuit against public participation“). Ein Begriff, der nur Eingeweihten bekannt ist, aber auch von Ruby Rebelde selbst wiederholt verwendet wurde. Nach seiner Einschätzung würden wir das Klageverfahren rein missbräuchlich nutzen, lediglich um Rebelde mundtot zu machen und ihr einen Maulkorb aufzusetzen. Auch war er der Meinung, dass wir uns als „moralische Instanz“ inszenieren. Die Argumentation erinnerte uns stark an die Formulierungen auf Rebeldes Homepage. Leider ging der Richter in keiner Weise auf die Inhalte der umfangreichen Schriftsätze unseres Anwalts ein.
Rechtlich nachvollziehbar war das alles weder für uns, noch für unseren Anwalt, der auch einen Befangenheitsantrag und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter stellte.
Aus Sicht des Richters ist die völlig abwegige Behauptung von Rebelde wir würden „strukturell antisemitisch“ agieren und argumentieren von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Einbeziehung unserer Perspektive und unserer Persönlichkeitsrechte unterblieb dabei völlig.
Warum wir uns gegen den Antisemitismus-Vorwurf in der nächsten Instanz wehrten
Nachdem wir uns von diesem Schock erholt hatten, stand fest: Wir machen weiter! Wir gehen in das Hauptsacheverfahren und wenn nötig auch vor das Bundesverfassungsgericht, denn es geht hier nicht nur um uns. Schon jetzt haben uns anerkannte jüdische Verbände kontaktiert und uns darin bestärkt, gegen diese unangebrachte Anwendung des Begriffs des Antisemitismus vorzugehen. Die Klärung wird auch vom Bundesbeauftragten für Antisemitismus befürwortet, der sich gegen die missbräuchliche Verwendung des Begriffs aussprach. Wenn sich diese absurde Rechtsprechung durchsetzt, kann jeder einen rufschädigenden Vorwurf kassieren, der das gebräuchliche Wort „Lobby“ für eine Interessenvertretung verwendet. Ganz abgesehen davon, dass echter Antisemitismus völlig verharmlost wird.
Dagegen wollen wir vorgehen. Es muss möglich sein, die Profiteure und Treiber eines milliardenschweren Marktes als das zu bezeichnen, was sie sind, ohne dass sie einer Organisation wie Sisters e.V. den Mund verbieten können. Denn darum geht es hier. Man will uns mit einem rufschädigenden Vorwurf in ein schlechtes Licht rücken, damit wir nicht mehr als ernstzunehmende Expertinnen zu Fragen der notwendigen Gesetzesänderungen in Deutschland gehört werden, um das Leiden von hunderttausenden Frauen in Deutschland endlich zu beenden. Außerdem sollen wir als unseriöse Organisation wahrgenommen werden, als zwielichtiger Verein, den man nicht unterstützen sollte. Wenn das gelingen sollte, können wir Frauen nicht mehr helfen, aus der Prostitution auszusteigen.
Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens und die nun anstehende Berufung
Das Landgericht Berlin hat im Hauptsacheverfahren im Februar 2025 gegen Ruby Rebelde zu unseren Ungunsten entschieden. Wir bedauern diese Entscheidung und werden in Berufung gehen, da wir überzeugt sind, dass die gegen uns erhobenen Vorwürfe unhaltbar und rufschädigend sind.
Ein schwerwiegender und haltloser Vorwurf
Die Arbeit von Sisters e.V. mit dem Begriff „antisemitisch“ zu verbinden, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Unsere Organisation setzt sich seit Jahren unermüdlich für Frauen ein, die aus der Prostitution aussteigen wollen. Wir unterstützen sie mit konkreten Hilfsangeboten und sind für viele die einzige Chance, dem Teufelskreis der Prostitution zu entkommen. Unser Einsatz basiert auf Respekt, Solidarität und dem entschiedenen Widerstand gegen sexuelle Ausbeutung.
Dass ausgerechnet ein Vorstandsmitglied von Hydra – einer Organisation, die staatliche Gelder erhält und sich für die Normalisierung von Prostitution einsetzt – einen rein ehrenamtlich arbeitenden Verein wie Sisters angreift, ist in unseren Augen perfide. Sisters e.V. hilft Frauen, die unter der Prostitution leiden und nach Wegen aussteigen wollen. Wer diese Arbeit diffamiert, stellt sich nicht nur gegen uns, sondern gegen die betroffenen Frauen selbst.
Die Verknüpfung unseres Vereins mit dem Vorwurf des „strukturellen Antisemitismus“ ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch strategisch darauf ausgerichtet, uns öffentlich zu delegitimieren und unsere Unterstützerinnen und Unterstützer abzuschrecken. Eine solche Strategie schadet letztlich den Frauen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Ein zweifelhaftes Urteil
Unser Anwalt, Dr. Jonas D. Jacob, hält die Entscheidung des Landgerichts Berlin für rechtlich falsch und problematisch. Dieselbe Kammer, die uns nun das für uns negative Urteil erteilt hat, hatte zuvor einen für uns günstigen Vergleich vorgeschlagen. Eine andere Kammer desselben Gerichts hatte uns bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren Recht gegeben. Diese Widersprüche zeigen, wie stark Entscheidungen im Äußerungsrecht von der jeweiligen richterlichen Einschätzung abhängen – eine Inkonsistenz, die aus unserer Sicht nicht hinnehmbar ist.
Besonders problematisch ist die Begründung des Gerichts: Es behauptet, dass der Begriff „strukturell antisemitisch“ im Gegensatz zu „antisemitisch“ nichts mit Judenfeindlichkeit zu tun habe. Diese Unterscheidung erscheint konstruiert und widerspricht der gängigen Sprach- und Rechtsauffassung.
Noch absurder ist der Versuch, unsere Verwendung des Begriffs „Prostitutionslobby“ als antisemitische Verschwörungserzählung zu werten. Dies ist nicht nur eine absurde Unterstellung, sondern eine Diffamierung, die wir nicht akzeptieren können. Die Entscheidung des Gerichts zeigt ein alarmierendes Maß an Beliebigkeit im Umgang mit schwerwiegenden Vorwürfen.
Warum wir Ihre Unterstützung brauchen
Wir lassen uns nicht einschüchtern und kämpfen weiter – für die Frauen, die wir unterstützen, und für das Recht, Missstände klar zu benennen. Doch dieser Rechtsstreit bindet wertvolle Ressourcen.
Wenn Sie unsere Arbeit schätzen und uns helfen möchten, weiterhin für die Rechte und den Schutz von Frauen einzutreten, freuen wir uns über jede finanzielle Unterstützung. Jeder Beitrag stärkt uns in unserem Engagement und ermöglicht es uns, Frauen auf ihrem Weg aus der Prostitution zu begleiten.
Wichtiger Hinweis: Wir kalkulieren die gesamten Prozesskosten mit 35.000 Euro.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir für finanzielle Unterstützung für die Prozesskosten keine Spendenbescheinigungen ausstellen können.
Die Unterstützung für die Prozesskosten bitte hier über Gofundme.
Alle Beträge, die über die Kosten für die Prozessführung hinaus eingehen, werden wir für unsere Ausstiegshilfe verwenden.
Jede Hilfe zählt und trägt dazu bei, dass wir uns weiterhin mit ganzer Kraft für Frauen einsetzen können.
Vielen Dank für Ihre Solidarität!