Unsere Mitfrau Ingrid Keilbach hat uns ihre persönlichen Eindrücke von unserer diesjährigen Mitgliederversammlung und dem 10-jährigen Jubiläum geschickt, die wir hier gerne veröffentlichen.
Frühmorgens am Samstag, den 27. September 2025 steige ich bei Nieselregen in den IC von Stuttgart nach Köln und ich freue mich auf die linksrheinische Strecke mit wunderbaren Blicken auf den großen Strom.
Nach Köln locken mich an diesem Wochenende aber weder der Dom noch der Rhein, sondern die Mitgliederversammlung und das 10-jährige Jubiläum von SISTERS e.V. und ich bin voller Vorfreude, dort auf viele bekannte Gesichter zu treffen und neue Bekanntschaften mit Gleichgesinnten zu schließen.
Am 13. Mai 2025 wurde der Verein mit Unterstützung von EMMA und insbesondere von Alice Schwarzer gegründet und dort soll auch das Jubiläum gefeiert werden.
In Köln angekommen, herrscht Sonnenschein mit milden Temperaturen und so zieht es mich doch mit Macht an den Rhein zu einem ersten Kaffee mit Blick auf Fluss und Schiffe.
Direkt am Rhein findet auch die Mitgliederversammlung statt: neben dem historischen Bayenturm, in dem außer der EMMA-Redaktion auch das Feministische Archiv mit großer Bibliothek untergebracht ist und der deshalb inzwischen den Namen FrauenMediaTurm trägt, treffen sich die Mitglieder von SISTERS e.V. im Institut Dr. Müller.
Einige Mitglieder sind bereits eingetroffen, es herrscht allseits große Wiedersehensfreude und im Tagungssaal des Instituts werden letzte Vorbereitungen für die Versammlung getroffen.
Pünktlich um 14 Uhr werden die Mitglieder von (Noch-) Vorstandsfrau Leni Breymaier begrüßt, die zusammen mit Sabine Constabel und Karen Ehlers auf dem Podium sitzt – ein vertrauter Anblick aus den vergangenen Mitgliederversammlungen.
Leni erklärt gleich zu Anfang, dass sie nicht mehr für das Amt der Vorstandsfrau kandidieren wird, weil sie von der Notwendigkeit eines Generationenwechsels innerhalb des Vereins überzeugt ist und weil sie weiß, dass eine fähige Nachfolgerin in den Startlöchern steht.
Diese Erklärung gibt Leni mit gewohnt schwäbischem und gelegentlich auch derbem Humor ab – schon allein für ihre unverblümte, echte und immer humorvolle Art werden wir sie vermissen.
Es folgen die vom deutschen Vereinsrecht vorgeschriebenen Tagesordnungspunkte u.a. mit den Tätigkeitsberichten der Vorstandsfrauen, die wie immer sehr umfassend und in ihrer Vielfalt beeindruckend sind und dem Bericht der Finanzfrau Karen Ehlers, in gewohnter Manier professionell, übersichtlich und gut verständlich aufbereitet.
Die Vorstellung von Marie Kaltenbach, die sich als Nachfolgerin von Leni Breymaier als neue Vorstandsfrau bewirbt, kann leider nur per Video erfolgen, da Marie aus privaten Gründen nicht nach Köln kommen konnte.
Ohnehin kennen aber die allermeisten Mitglieder Marie als langjährige und sehr engagierte Mitstreiterin von SISTERS e.V., so dass einer einstimmigen Wahl zur Vorstandsfrau nichts im Wege steht.
Auch Sabine Constabel und Karen Ehlers werden einstimmig wiedergewählt in den Vorstand und nehmen die Wahl gerne an.
Karen Ehlers berichtet über den unsäglichen Rechtsstreit mit Ruby Rebelde, dessen Ende noch immer nicht abzusehen und völlig offen ist. Da heißt es, weiterhin die Daumen zu halten!
Ein Highlight bei jeder Mitgliederversammlung sind für mich die Berichte der einzelnen Ortsgruppen und auch in diesem Jahr bin ich wieder begeistert von den vielen Frauen (und Männern), die sich unerschrocken und zielstrebig mit unterschiedlichsten Veranstaltungen und Aktionen für die Prostituierten einsetzen und das Nordische Modell in Deutschland bewerben. Oft sind die Frauen auch direkten verbalen Angriffen und Verunglimpfungen auf Social Media ausgesetzt und ich bewundere ihren Mut, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Nur zu gerne werden ja Abolitionistinnen nach wie vor als „prüde alte Frauen“ verunglimpft, die hübschen jungen Frauen ihr erfülltes Sexualleben nicht gönnen. Daher freut es mich besonders zu sehen, dass so viele junge Frauen sich für die Rechte von Prostituierten engagieren und den Schaden erkannt haben, den die Prostitution für die gesamte Gesellschaft bedeutet.
Ehe um 18:30 Uhr der Festakt – ebenfalls im Institut Müller – beginnt, haben wir Gelegenheit, uns am Büffet stärken. Die vielen unterschiedlichen Salate sind ausnahmslos superlecker und geben uns die nötige Energie für den zweiten Teil des Tages.
Zum Auftakt des Festakts zum 10-jährigen Vereinsjubiläum erzählen Sabine Constabel und Alice Schwarzer, „wie alles begann“ mit den SISTERS und mit welchen Problemen der noch junge Verein schon bald nach der Gründung zu kämpfen hatte. Es wurde früh deutlich, dass das Engagement der SISTERS von der Prostitutionslobby als Bedrohung empfunden und dementsprechend ernst genommen wurde – mit allen negativen Begleiterscheinungen für Vorstand und Mitglieder. Mehr als einmal waren Alice Schwarzers profunde Medien- und Presseerfahrungen hilfreich.
Überraschend für die meisten von uns, meldet sich Sabine Constabel noch einmal zu Wort und hält eine sehr bewegende, emotionale und tief empfundene Dankesrede auf zwei Frauen, ohne die der Verein SISTERS e.V. gar nicht denkbar wäre und die doch nur ungern im Vordergrund stehen mögen: Karen Ehlers und Solveig Senft.
Karen kümmert sich seit vielen Jahren neben den Finanzen auch um all die tausend Dinge, die so unabdingbar notwendig sind, damit der Verein „rundläuft“ und die von Außenstehenden kaum bemerkt werden – eben, weil sie „einfach“ funktionieren: Mitgliederverwaltung, Technik, Datenschutz etc. etc.
Und Solveig ist die unermüdliche Netzwerkerin im Hintergrund. Sie macht künstlerische Aktionen zum Thema „Prostitution“, vernetzt die SISTERS mit Organisationen und Einzelpersonen, die sich ebenfalls die Einführung des Nordischen Modells zum Ziel gesetzt haben und ist ein weiterer „ruhender Pol“ im Verein.
Die große Wertschätzung dieser beiden Frauen hat mich sehr berührt und ich gehe bewegt und gestärkt aus diesem Treffen – im sicheren Gefühl, dass die SISTERS auf festen Beinen stehen und weiterhin auf gutem Weg sind.
Vor Beginn der Party im Gewölbe des Bayenturms gibt es Gelegenheit, an einer kurzen Führung durch den Turm teilzunehmen. Debora Stickl führt die Interessierten durch den Turm bis ganz nach oben, von wo sich ein wunderbarer Rundblick über Köln und den Rhein in der abendlichen Dämmerung bietet. Der Aufstieg über teils sehr steile und vor allem sehr viele Stufen ist durchaus anspruchsvoll – aber wir haben ihn gemeistert und er hat sich wirklich gelohnt.
Der Rest des Abends ist ganz dem Feiern gewidmet. Chantal Louis bringt uns als DJane im Gewölbe des Bayenturms zum Tanzen und aufgrund des freundlichen Wetters können wir noch lange draußen unter den Partyzelten sitzen. Es ist für mich eine Riesenfreude, mit vielen Frauen Bekanntschaft zu schließen, zu netzwerken, Pläne zu schmieden und mich mit Freundinnen und Bekannten auszutauschen.
Das abschließende Aufräumen ist dank vieler helfender Hände rasch erledigt und ich bin sicher nicht die Einzige, die ganz beseelt und beschwingt für einige Stunden Schlaf ins Hotel geht.
Am Sonntag vor der Heimfahrt kommen dann doch noch der Dom und auch noch einmal der Rhein zu ihrem Recht, ehe ich mich nach einem letzten Kaffee mit Blick auf den Strom wieder der Deutschen Bahn anvertraue für die Rückfahrt nach Stuttgart.