Die Ortsgruppe Köln von SISTERS e.V. ist wieder da! Neue Mitglieder haben sich gefunden, um die Ortsgruppe wiederzubeleben. Zum Start haben sie sich mit der Anhörung zum Sexkaufverbot im Bundestag beschäftigt. Lesen Sie selbst:
Sehr geehrte interessierte Leserinnen und Leser,
im Rahmen der Bundestagsdebatte vom 20. Februar 2024 sowie der Anhörung der Sachverständigen vom 23.09.2024 wurde die Einführung eines Sexkaufverbots von allen Seiten beleuchtet. Dabei hat sich ein zweifelsfreies Bild ergeben: Die Einführung des Nordischen Modells ist der einzig moralisch und rechtlich vertretbare Weg, um der systematischen Gewalt und Ausbeutung der Frauen in der Prostitution Einhalt zu gebieten.
Unterstützer wie der Duisburger Polizeipräsident Alexander Dierselhuis, die Historikerin Huschke Mau und die französische Aktivistin Claire Quidet haben überzeugend aufgezeigt, dass ein Sexkaufverbot den Prostitutionsmarkt verkleinert, den Schutz der Frauen verbessert und die Strafverfolgung erleichtert. Die Erfahrungen aus Frankreich und Schweden bestätigen: Mit sinkender Nachfrage reduziert sich auch die Ausbeutung. Die Gegenargumente basieren hingegen auf gravierenden Fehleinschätzungen. Im Gegensatz dazu entlarven die Gegenstimmen gravierende Fehl-wahrnehmungen und unhaltbare Argumente. Diese werden im Folgenden kritisch beleuchtet:
Die Verharmlosung struktureller Gewalt
Die Argumentation von Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands für erotische und sexuelle Dienstleistungen, ein Sexkaufverbot schade den Prostituierten am meisten, ist nicht nur widersprüchlich, sondern gefährlich kurzsichtig. Das Beispiel Frankreich zeigt das Gegenteil: Claire Quidet von der Nid-Bewegung bestätigt, dass das Verbot die Nachfrage senkte und den Schutz der Frauen deutlich stärkte. Webers Behauptung, es gebe keine Belege für den Zwang in der Prostitution, ignoriert die Realität. Organisationen wie Netzwerk Ella und Sisters e.V. berichten regelmäßig von Frauen, die durch Gewalt, Armut und Zwang in die Prostitution gedrängt werden – Schätzungen gehen von 80–90 % Betroffenen aus.
Weber behauptet zudem zynisch, das Nordische Modell setze Frauen schutzlos der Gewalt aus, indem es Freier bestraft. Dabei wird übersehen, dass Zuhälter und Bordellbetreiber keine schützenden Instanzen, sondern oft die Täter sind. Das Nordische Modell zielt darauf ab, diese Strukturen zu zerschlagen und den Staat in die Pflicht zu nehmen, den Frauen echte Ausstiegshilfen und Schutz zu bieten.
Verzerrte Logik
Margarete Gräfin von Galen argumentiert, ein Sexkaufverbot sei verfassungsrechtlich nicht haltbar, da Prostitution durch die Berufsfreiheit geschützt sei. Diese Ansicht ist sowohl moralisch als auch juristisch äußerst bedenklich und widerspricht vor allem unserem zentralen Verfassungsprinzip: dem Schutz der Menschenwürde gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes. Dieses unveräußerliche Recht der betroffenen Frauen wird durch die derzeitige Gesetzgebung systematisch verletzt. Die
sexuelle Verfügbarkeit des weiblichen Körpers gegen Bezahlung stellt nichts anderes dar als die Kommerzialisierung von Intimität und Körperlichkeit – ein Vorgang, der zutiefst menschenunwürdig ist. Die Berufung auf die Berufsfreiheit erscheint in diesem Zusammenhang als rein scheinjuristisches Argument.
Psychotherapeutin Brigitte Schmid-Hagenmeyer verdeutlicht, dass Prostitution fast immer zu physischen und psychischen Schäden führt. Damit wird klar: Prostitution ist keine gewöhnliche „Dienstleistung“. Während in anderen Berufen Qualifikationen und Fähigkeiten zählen, wird hier der Körper zur Ware gemacht. Meist gilt dabei: Je jünger und unerfahrener, desto besser – je weniger sie sich wehren kann, desto besser.
Nebelkerzen zur Verdeckung des Versagens
Andrea Hitzke und Erika Krause-Schöne behaupten, das Nordische Modell würde Prostitution in den Untergrund drängen und die Strafverfolgung erschweren. Fakt ist jedoch: Wir befinden uns bereits im Untergrund. Die legale Prostitution in Deutschland hat Menschenhändlern über Jahre hinweg ein perfektes Versteck geboten. Gerhard Schönborn, Ausstiegshelfer beim Neustart e.V. bestätigt, dass die Liberalisierung der Prostitution zur „Verelendung“ und Normalisierung des Frauenhandels geführt hat.
Das derzeitige System, das angeblich Transparenz und Schutz gewährleisten soll, ist gescheitert.
Bordelle und legale Prostitutionsstätten sind längst zu einer Grauzone geworden, in der Gewalt, Zwang und Menschenhandel blühen. Ein Sexkaufverbot, wie es Alexander Dierselhuis fordert, würde den Markt verkleinern und damit die Strafverfolgung deutlich effizienter gestalten. Die Vorstellung, es könnte schlimmer werden, entbehrt jeder Grundlage.
Parteipolitik im Schatten der Prostitution
Den Blick auf die zahlreichen namenlosen Frauen, die täglich Opfer sexueller Ausbeutung werden, mutet sich nicht jeder zu. Dabei sind die Profiteure – die Zuhälter, Bordellbetreiber und vor allem Freier – allgegenwärtig unter uns. Sie sind unsere Ehemänner, unsere Väter, unsere Söhne, unsere Freunde und unsere Kollegen. Die Verweigerung diese Tatsachen als Fakten in die Debatte mit einzubeziehen kann zwangsläufig nur an Eigeninteresse, ideologischen Vorbehalten oder einer Verdrängung in Anbetracht der rauen Umstände für die Opfer der liberalen Prostitutionsgesetzgebung liegen.
Die sachverständigen Gegner des Nordischen Modells führen zur Verwirrung bezüglich der Begriffsbestimmung. Indem von „Prostitutionsverbot“ und „Sexkaufverbot“ gesprochen wird, wird verkannt, dass das Sexkaufverbot nicht das Verbot der Prostitution im Fokus hat, sondern die gezielte Sanktionierung der Freier. Dies stellt nur eine Säule des Nordischen Modells dar. Diese wird ergänzt durch die Straffreiheit der prostituierten Frauen sowie dem Ausbau an effizienten Aufstiegsmöglichkeiten für betroffene Frauen.
Stimmen gegen die Bestrafung von Freiern zur Eindämmung des Systems Prostitution stammen zu großen Teilen von den Parteien DIE GRÜNEN, DIE LINKE und Teile der SPD. Konkludent wird sich damit für die Aufrechterhaltung derjenigen patriarchalen Strukturen eigesetzt, die in der breiten Gesellschaft seit Jahrzehnten gerügt werden. In der Prostitution sind diese alltäglich. Dem gegenüber stehen die CDU – die Antragstellerpartei – sowie Teile der SPD.
Die Frage der Prostitution zeigt sich als weit über eine parteipolitische Auseinandersetzung hinausgehend und grundsätzliche gesellschaftliche Themen wie das Verhältnis der Geschlechter betreffend.
Fazit
Das Nordische Modell ist nicht perfekt, aber es ist bei Weitem die gerechteste und menschenwürdigste Lösung, die uns derzeit vorliegt. Es verschiebt den Fokus von der Strafverfolgung der eigentlichen Opfer hin zu den Profiteuren des Systems, den Tätern – den Freiern und Menschenhändlern.
Es bietet Frauen in der Prostitution echte Ausstiegsmöglichkeiten und stärkt gesellschaftlich die Botschaft, dass der Kauf von Menschen nicht akzeptabel ist.
Die Tatsache, dass es in Deutschland bislang legal ist, den Körper eines anderen Menschen zu kaufen, ist ein Armutszeugnis unserer Wertegemeinschaft. Diese prekäre Situation muss beendet werden, wenn wir ernsthaft von Geschlechtergerechtigkeit sprechen wollen. Es ist Zeit, dass Deutschland Verantwortung übernimmt. Es ist Zeit, dass wir alle Verantwortung übernehmen.
Dagmar T. und Mira E.
Sisters Köln