Wir als Sisters sind ausgesprochen monothematisch aktiv. Unser Thema ist die Prostitution und die Frauen, die in diesem System vermarktet werden. Darum kümmern wir uns. Zum einen, indem wir Öffentlichkeitsarbeit machen und thematisieren, dass Prostitution ein Unrechtssystem ist, dass es sich bei Prostitution um moderne Sklaverei handelt, in der (weit überwiegend) Frauen zur Ware werden. Sie werden vermarktet, verkauft, vergewaltigt und letztlich zerstört.
Der andere Teil unserer Arbeit fokussiert direkt die prostituierten Frauen. Wir leisten in
großem Umfang Hilfe zum Ausstieg. Wir kümmern uns um Wohnungen, um die Hilfe für den
Lebensunterhalt, finanzieren medizinische Hilfe, helfen bei der Arbeitssuche und sind auch
dann noch für die Frauen da, wenn der Ausstieg schon eine Weile zurückliegt und das
eigenständige Leben immer noch nicht recht gelingen will.
Keine einzige Frau, die wir betreuen und unterstützen, hat die Zeit in der Prostitution
unbeschadet überstanden. Mitunter haben die Frauen noch Jahre nach dem Ausstieg
Panikattacken, glauben überall alten Freiern zu begegnen, können nicht mit Männern alleine
in einem Raum sein, glauben, dass alle ihnen an der Nasenspitze ansehen, dass sie kürzlich
noch eine Hure waren.
Über 90 % der Frauen, die wir versorgen, kommen aus Osteuropa.
Es sind Frauen, die von ihren Familien in die Prostitution geschickt wurden, Frauen, die für Loverboys angeschafft haben, Frauen, die von Zuhältern gefangen gehalten und von denen, und sowieso in der Prostitution, wieder und wieder vergewaltigt wurden.
Die meisten Frauen hat es schlicht deshalb getroffen, weil sie das Pech hatten zur falschen
Zeit am falschen Ort in die falsche Familie in einem weiblichen Körper geboren worden zu
sein. Nichts davon haben sie gewählt: nicht die Zeit, nicht den Ort, nicht die Familie und nicht
ihren weiblichen Körper.
Wenn diese Frauen aussteigen, dann absolvieren sie nicht zunächst eine Traumatherapie, um
im geschützten Rahmen ihre traumatischen Prostitutionserfahrungen zu verarbeiten. Unsere
Frauen müssen sofort anfangen zu arbeiten, jedenfalls dann, wenn sie in Deutschland bleiben
wollen.
Damit das gelingen kann, benötigen wir für sie alles an Schutzräumen, was wir bekommen
können: Wohnungen, in die keine Männer kommen können, Ärztinnen statt Ärzten,
Vorarbeiterinnen statt Vorarbeiter, Frauensuchtberatungsstellen und so weiter.
Damit viele der Frauen heilen können, brauchen sie zunächst so viel Schutz wie möglich. Und
zu Beginn vor allem Schutz vor Männern, weil sie in der Prostitution Männer als Gefahr, als
Täter, als Vergewaltiger erlebt haben.
In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um das Thema Prostitution kannten wir bisher
die Akteure: es gab da uns und unsere Verbündeten, die Prostitution als Gewalt gegen
vornehmlich Frauen beschreiben und die Prostitutionsbefürworter, die „Sexarbeit“ als etwas
begreifen, was (durch die vollständige Trennung von Körper und Geist) als Dienstleitung erbracht werden kann. Die Prostitutionsbefürworter gehen davon aus, dass Körper und Geist getrennt voneinander existieren und deshalb die Prostituierte ihren Körper letztlich nur makelt – sie reicht ihm den Käufer zur Benutzung über die Theke. Mehr ist Prostitution für sie nicht.
Wir wissen es besser, haben es viele Male gehört. Und immer von Frauen, die am eigenen Leib erfahren mussten, dass es eben nicht gelingt, den Körper von sich abzutrennen und mal eben über den Tresen zu reichen.
Und weil wir wissen, dass Körper real und Körper und Seele untrennbar miteinander
verbunden sind, sind wir nicht mehr nur Gegenpol der Ideologie, die Sexarbeit als
Dienstleistung begreift, sondern auch der Ideologie, die behauptet, dass nichts untrennbar
verbunden, sondern allein der Geist bestimmt, mit welchem geschlechtlichen Körper er
zurzeit eine Einheit sein will. Weiblich oder männlich? Nicht mehr Schicksal, sondern die
freie Wahl von freien Menschen.
Und so ist es geschehen, dass der Ortsgruppe Berlin die Raumzusagen für Filmvorführungen
zurückgezogen wurden, weil sich, (als es um die Räume in einer Moschee ging) „Transmuslim*innen nicht mehr sicher fühlen können“, wenn Sisters den Film Pretty Woman
zeigt und mit Aussteigerinnen darüber diskutiert.
Im Nachhinein wurde die Absage damit begründet, dass Sisters eine Erklärung unterschrieben
hat, die die Rechte von Frauen auf der Grundlage ihres Geschlechts bekräftigt.
Das stimmt so, denn ein zentrales Recht, auf das wir pochen, ist das Recht von Mädchen und
Frauen nicht prostituiert zu werden.
(Es handelt sich dabei um die Bestärkung des „Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form
von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW) das von der Generalversammlung der Vereinten
Nationen am 18. Dezember 1979 verabschiedet wurde.)
In Deutschland wird zurzeit an einem Gesetz gearbeitet, das die Abschaffung des Geschlechts
als wichtigstem gesellschaftlichen Strukturmerkmal zum Ziel hat. „Die Begriffe „Frau“ und
„Mann“, die auf der biologischen Zweigeschlechtlichkeit beruhen, würden ohne diese
objektivierbare Grundlage bedeutungslos. Eine frei wählbare, subjektive „Geschlechtsidentität“ würde zum Bezugspunkt für alle anderen Gesetze und gesellschaftlichen Bereiche, für die das Geschlecht relevant ist – so das gesamte Familien-, Sozial- und Arbeitsrecht. Männer könnten fordern, als Frauen behandelt zu werden und Frauen dürften dagegen keinen Widerstand mehr leisten.“
(https://fairplayfuerfrauen.org/frauenaktionsbuendnis-fab/)
Eva Engelken war dankenswerterweise an diesem Abend unsere Gästin. Als Juristin, Mutter,
Journalistin und Bestseller-Autorin hat sie sich gründlich mit diesem gesetzlichen Vorhaben
auseinandergesetzt. Sie konnte uns aufzeigen, warum durch solche gesetzgeberischen
Bestrebungen nicht nur Frauenrechte und insbesondere Frauenschutzräume, sondern
insgesamt die Selbstbestimmung von Frauen in Gefahr sind.
Sabine Constabel
Ein Hinweis zum Weiterlesen: