Als Berliner Ortsgruppe von SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V. sind wir entsetzt über das Vorhaben und die Begründung des Senats zur „stufenweisen Aufhebung des Tätigkeitsverbotes für sexuelle Dienstleistungen“.
In einer Pressemitteilung vom 04.08.2020 gab der Berliner Senat bekannt, dass ab September 2020 die Öffnung der Bordelle und die Prostitution wieder erlaubt sind.
Der Senat schreibt, dass die Lockerungen im Hinblick auf die oft prekäre Situation der prostituierten Frauen „aus gesundheits-, aber auch aus frauenpolitischer Sicht“ geboten seien. Ansonsten bestehe die Gefahr, „dass die Betroffenen aufgrund wirtschaftlicher Notlagen in Abhängigkeitsverhältnisse geraten und im Verborgenen unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen ihrer Tätigkeit nachgehen“, so der Senat weiter.
Hierzu möchten wir als eine Gruppe von Ehrenamtlichen, die Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution hilft und damit die Lebenslagen der prostituierten Frauen in Berlin sehr genau kennt, Folgendes sagen:
- Der Berliner Senat verfolgt seit Jahren eine Politik der Akzeptanz der Ausbeutung von Frauen, indem er Prostitution als einen Job ansieht. Und das, obwohl die Missstände auf der Kurfürstenstraße bekannt sind. Wir empfehlen den Mitgliedern des Berliner Senats, sich gerne einmal auf dem Straßenstrich Kurfürstenstraße umzuschauen. Die Zuhälter sind dort nicht zu übersehen.
- Vielfältige Abhängigkeitsverhältnisse führen auch unabhängig von der Corona-Pandemie dazu, dass Frauen in die Prostitution geraten: Zuhälter, Bordellbetreibende, Familie, die Druck ausübt, Schulden, Drogenabhängigkeit, etc.
- Mit der Öffnung der Bordelle wird nicht den Frauen, sondern an erster Stelle den Bordellbetreibenden geholfen. Im Bordell zahlen die Frauen oft eine Zimmermiete von 100 Euro pro Tag. Ihnen bleibt nicht viel Geld zum Leben. Von Aussteigerinnen wissen wir, dass sich viele Frauen durch die Prostitution in einem Bordell noch weiter verschulden.
- Prostitution ist gesundheitlich gefährdend, nicht nur zu Corona-Zeiten. Freier nutzen die Notlagen der Frauen aus und verlangen häufig sexuelle Handlungen ohne Kondom. Viele Frauen müssen diesen Forderungen nachkommen, denn sie benötigen das Geld, um zu überleben. Dies hat sich durch Corona nicht geändert und wird sich auch durch ein Hygienekonzept nicht ändern.
- Dem Berliner Senat scheint es kein Bedürfnis zu sein, den Frauen beim Ausstieg zu helfen. Stattdessen setzt der Senat auf die Fortführung der Prostitution. Während der Corona-Pandemie gab es keine ausreichenden Hilfen für prostituierte Frauen. Das war auch nicht verwunderlich: Der Senat fördert seit Jahren Vereine, die Prostitution als einen tollen Job erachten und daher auch beim Einstieg in die Prostitution unterstützen.
Wir fordern: Lassen Sie die Bordelle geschlossen. Bleiben Sie bei der Kriminalisierung der Freier, aber bei der Bußgeldfreiheit für prostituierte Frauen. Erkennen Sie endlich die Notlagen der prostituierten Frauen an, nicht nur in Corona-Zeiten. Richten Sie staatlich finanzierte Ausstiegshilfen ein.
SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V. – Ortsgruppe Berlin